Ikebana - Der Weg der Blumen

«Kado» - Ka = Blume
Do = Weg (der Weg des Menschen in Richtung Perfektion).

Die Silbe DO finden wir in vielen japanischen Kampfsport- und Kunstformen : JuDO, KenDO, KyuDO, SaDO, ShoDO.

Die Kraft des Ikebana

Ikebana ist ein Transformationsprozess, ausgelöst durch eine menschliche Handlung, der natürliche Pflanzen in neue Kompositionen verwandelt.

Die Silbe ike bedeutet leben, am Leben erhalten, neues Leben geben und arrangieren.
Die Silbe bana bedeutet Blume.

Ikebana ist aber weit mehr als einfaches Blumenstecken. Ikebana zu arrangieren verlangt das Suchen, Finden und Weiterentwickeln der Essenz einer Blume und das Hervorheben ihres Charakters.

Ikebana wird von den Japanern als verfeinerte, subtile und vollendete Kunstform betrachtet und wurde zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Europa eingeführt. (La voie des Fleurs : Gusty L. Herrigel. Edit. Dervy). Seither nimmt die Zahl der praktizierenden «Ikebanisten», trotz des grossen Engagements und der Disziplin die es verlangt, stetig zu. Die beharrliche Ausübung von Ikebana ist nicht nur frei von jedem Wettbewerb sondern öffnet den Weg zu sich selbst. Ikebana lehrt den Ikebanisten den Weg zur Einfachheit.

Ikebana verbindet die natürliche Schönheit der Pflanzen mit der Sensibilität des Menschen der sie arrangiert und hat zum Ziel den Betrachter zu berühren und zu erfreuen. Die Atmosphäre eines Ortes wird durch Blumen auf wunderbare Weise verändert. Diese Tatsache beschreibt einen zentralen Punkt von Ikebana und dessen Wirkung.

Um für einen bestimmten Ort das passende Arrangement zu kreieren, arbeitet der Ikebanist, die Ikebanistin mit verschiedenen Materialien. Sei es eine Halle, ein Salontisch, ein Badezimmer, ein Bankschalter oder eine Theaterbühne ist, der Künstler achtet darauf, dass er in Harmonie mit seiner Umgebung ist. Ob Zweige, Stengel, Blätter oder Blumen, alle Materialien werden aufmerksam beobachtet um die natürlichen Eigenheiten in bestmöglicher Form herauszuarbeiten und zu zeigen.

Das Ikebana-Arrangement soll die Natur in den Lebensraum des Menschen bringen und gleichzeitig die kosmische Ordnung darstellen. Im Gegensatz zur dekorativen Form des Blumensteckens in der westlichen Welt, schafft das Ikebana eine Harmonie von linearem Aufbau, Rhythmik und Farbe. Während im Westen die Anzahl und Farbe der Blumen betont und hauptsächlich die Blüten beachtet werden, betonen die Japaner die linearen Aspekte der Anordnung. Das Zusammenspiel von Vase, Stängel, Blätter, Zweigen und (untergeordnet) auch Blüten ist dabei wesentlich.

Das Stecken eines Ikebanas stärkt die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Ikebana ist eine Form des persönlichen Ausdrucks. Es lehrt uns Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

 

Ikenobo

Ikenobo ist das Stammhaus der japanischen Blumenkunst, die ihren Ursprung im Buddhismus hat. Priester stellten und stellen auch heute noch in den Tempeln Blüten, Knospen und Blätter des Lotus als Opfergaben auf. Der Lotus, eine heilige Pflanze, steht für die Reinheit der Gottheit.

Die Anfänge des Ikebana reichen ins 6. Jahrhundert zurück. Damals pflegte Japan einen regen politischen und kulturellen Austausch mit China. Auf diese Weise kam das Land mit dem Buddhismus in Berührung. Es wird überliefert, dass Ono no Imoko, ein aus China heimgekehrter Gesandter, den Ritus des Blumenopfers in Japan einführte. Er liess sich später als Mönch in einer Hütte am Teich (jap. ike no bo) in der Nähe des Rokkakudo-Tempels in Kyoto nieder, wo er seine Schüler in der Blumenzeremonie unterwies. Die heute noch bestehende Ikenobo-Schule, die das Blumenopfer im 15. Jahrhundert zu einer anspruchsvollen Blumenkunst entwickelte, wird in der 45. Generation
von Ikenobo Sen’ei, einem direkten Nachkommen des Ono no Imoko,
geleitet.

Diese älteste Ikebanaschule lehrt als einzige den anspruchsvollen, im 15. Jahrhundert entwickelten Rikka-Stil, der in seinen verschiedenen Varianten eine facettenreiche und ästhetisierend-natürliche Darstellung des Kosmos ist. Im 17. Jahrhundert entstand unter dem Einfluss der minimalistischen Ästhetik des Zen-Buddhismus der schlichte Shoka-Stil. Neben den traditionellen Ausdrucksformen pflegt Ikenobo auch Jiyuka, den Freien Stil.


Sogetsu Ryu

Sofu Teshigahara, aufgewachsen im traditionellen Ikebana, gründete die Sogetsu Schule im Jahre 1927 in Tokio und leitete sie als erster Iemoto (Oberhaupt der Schule). In der Überzeugung, dass Ikebana kreativ und beglückend sein soll, entwickelte er Sogetsu Ikebana zu einer Kunstform, frei von allen Traditionen der Vergangenheit und offen für neue zeitgemässe Entwicklungen. Als Begründer des «Freien Stils» wurde er «Picasso der Blumen» genannt. Sein Grundsatz lautete: «Sogetsu Ikebana kann zu jeder Zeit, an jedem Ort, von jedermann und mit jeglichem Material gestaltet werden».

Kasumi Teshigahara, der zweite Iemoto, war die Tochter von Sofu. Sie verstarb sehr jung und leitete die Sogetsu Schule nur während einem Jahr. Sie beeindruckte vor allem durch ihre femininen, anmutigen Ikebana- Kreationen.

Hiroshi Teshigahara, der dritte Iemoto, Sohn von Sofu, veröffentlichte 1983 erstmals die Lehren seines Vaters Sofu in vier Textbüchern, im «Sogetsu Curriculum». Hiroshi Teshigahara war international bereits als Filmregisseur bekannt und wurde auch mit seinen Keramikkreationen und seinen Bambusinstallationen weltberühmt.

Akane Teshigahara, der vierte Iemoto, Tochter von Hiroshi, leitet die Sogetsu Schule seit 2001. Sie legt besonderen Wert darauf, dass das Ikebanastudium Freude bereitet. Sie betont, dass jedes Pflanzenmaterial in seiner Eigenart beobachtet und in seinen vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten erkundet werden soll. Iemoto Akane ermutigt den Sogetsu Schüler dazu, sich frei auszudrücken und seine Originalität beim Gestalten von Ikebana zu zeigen.

Der Schüler der Sogetsu Schule wird – nachdem er die Grundregeln gemeistert hat – dazu ermuntert, seinen eigenen Ikebana-Weg zu gehen, seiner Kreativität und seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Er wird aber bei all seinen Ikebana Kreationen immer das wechselseitige Verhältnis von Linie, Farbe, Masse, Raum, Tiefe, Bewegung und Gleichgewicht respektieren.

Quelle:  www.ch.emb-japan.go.jp